KOMmentar
23.10.2018
Omnibusfahrer gesucht
„Wenn ich nicht mehr weiter weiß, gründ‘ ich einen Arbeitskreis…“. In diesem Sinne will das Wirtschaftsministerium im Saarland das Problem „Fahrermangel im Busbereich“ mit einer Arbeitsgruppe, neudeutsch: Taskforce, angehen.
Doch nicht nur im Saarland fehlen Omnibusfahrer, sondern in ganz Deutschland. Mancherorts ist die Not so groß, dass die Unternehmen Prämien an Mitarbeiter zahlen, die neue Fahrer bringen.
Überraschend kommt dieser Fahrermangel nicht. Schon seit Jahren veröffentlichen die Verbände Statistiken, in denen die Kluft zwischen dem Durchschnittsalter unserer Omnibusfahrer und der Zahl der neu ausgebildeten Chauffeure deutlich erkennbar war. Zu lange hat man sich halt auf die Bundeswehr als „Busfahrerschule der Nation“ verlassen. Diese Fahrerquelle ist aber seit einigen Jahren versiegt.
Doch es geht nicht nur darum, die Mitarbeiter, die in den Ruhestand gehen, zu ersetzen. Schon dafür reichen die Ausbildungszahlen bei weitem nicht aus. Wir brauchen insgesamt immer mehr Omnibusfahrer.
Der ÖPNV wächst und wächst. Deshalb werden Jahr für Jahr immer mehr Fahrer für den Nahverkehr gesucht. Hinzu kommt die rasante Entwicklung des Fernbusses, für den tausende zusätzliche Busfahrer rekrutiert werden mussten.
Deutlich erkennbar ist der Beruf Omnibusfahrer nicht mehr so attraktiv, wie er mal war. Das hat viele Ursachen. Unattraktive Arbeitszeiten mit langen Schichten und vielen unbezahlten Pausen schrecken ebenso ab, wie die verglichen mit anderen Branchen niedrigen Stundenlöhne.
Auch die Neuordnung des ÖPNV-Markts trägt wesentlich dazu bei, den Beruf als Busfahrer unattraktiver zu machen. So habe ich kürzlich mit einem jungen Busfahrer gesprochen, der entlassen wurde, weil sein Arbeitgeber eine Ausschreibung verloren hatte. Auf meine Frage, ob er denn jetzt zum Gewinner der Ausschreibung gehe, antwortete er: „Nö, dazu habe ich keine Lust. Bis jetzt habe ich in einem Busbetrieb mit einem Betriebshof gearbeitet – mit asphaltiertem Hof, Waschanlage, Pausenraum, Toiletten und Kaffeemaschine. Bei dem Neuen stehen die Busse auf einem Schotterplatz mit Container und Dixi-Klo. Und was passiert in acht Jahren, wenn der Vertrag neu ausgeschrieben wird? Dann muss ich schon wieder den Arbeitgeber wechseln! Busfahren ist für mich erledigt. Ich fahre jetzt Container. Zum gleichen Stundenlohn, aber ohne Schichtarbeit und mit freiem Wochenende.“
Fahrer berichten auch, dass der Umgang mit den Fahrgästen immer schwieriger, um nicht zu sagen gefährlicher wird. Jede Woche wird von Übergriffen berichtet. Erst kürzlich wurde der Fahrer eines meiner Kunden verprügelt, weil er pflichtgemäß den Fahrschein eines Fahrgastes kontrollieren wollte. Eine groteske Situation: wenn er nicht kontrolliert, bekommt er von seinem Chef eine auf den Deckel, weil der nämlich eine Pönale zahlen muss – und wenn der Fahrer, kontrolliert, kriegt er eine Faust ins Gesicht.
In ihrer Not akquirieren die Unternehmen jetzt Fahrer in ganz Europa. Das mag die größte Not mildern, aber eine dauerhafte Lösung für das Fahrerproblem ist das nicht.
19.09.2018
Verdammt lang her...
Nach den Erhebungen des Statistischen Bundesamts ist der Dieselpreis im August 2018 auf 102,23 EUR pro 100 Liter gestiegen. Teurer war der Kraftstoff zuletzt im Oktober 2014, als der Preis bei 103,10 EUR lag.
Wenn diese Preisentwicklung anhält, werden nicht zuletzt viele Gewinner von Ausschreibungen im ÖPNV nachts schlechter schlafen. Denn die üblichen Preisfortschreibungen wirken erst mit einem zeitlichen Versatz. Wirklich faire Regelungen, die rückwirkende Anpassungen vorsehen, sind bislang immer noch die Ausnahme.
Spannend wird es auch für die Unternehmen, die gerade ein Angebot erstellen müssen. Wer weiß denn heute, wie hoch der Dieselpreis zum Fahrplanwechsel im Dezember 2019 sein wird?
Vielleicht ist es auf lange Sicht doch nicht ganz falsch, wenn man einen Puffer für Kostenrisiken in seine Kalkulation mit aufnimmt. Früher nannte man so einen Puffer übrigens Gewinn. Aber das ist verdammt lang her...
27.08.2018
Pünktlich!
Pünktlichkeit ist ein wichtiges Qualitätsmerkmal im ÖPNV – aber man kann es auch übertreiben.
Einer meiner Kunden betreibt als Subunternehmer eines kommunalen Verkehrsbetriebs einen Linienverkehr am Rande einer Großstadt. Die Linie wird nach einem starren Taktfahrplan betrieben, der den ganzen Tag über nur ein Fahrzeitprofil vorsieht. Das bedeutet, dass die Fahrer während der Schwachlastzeiten bummeln und während der Hauptverkehrszeit hetzen müssen.
Nun musste mein Kunde eine Vertragsstrafe bezahlen, weil die Fahrer regelmäßig verspätet an der Endstation losfahren. Es handelte sich dabei ausnahmslos um Fahrten frühmorgens und spätabends.
Die Befragung der betroffenen Mitarbeiter hat ergeben, dass sie bewusst zu spät losfahren, um unterwegs nicht an den Zwischenhaltestellen ständig die Abfahrtszeit abwarten zu müssen. An dem S-Bahn-Knoten, den die Linie anfährt, sind die Busse ohnehin wieder pünktlich.
Ich vertrete die Auffassung, dass sich die Fahrer völlig vernünftig verhalten. Durch die verspätete Abfahrt können sie ohne unnötige Warterei unterwegs zügig an ihr ihr Ziel durchfahren, das sie dann ja auch pünktlich erreichen.
Das ist im Sinne der Umwelt, weil der Bus nicht unnötig anhalten muss, um wieder in der Zeit zu sein, es ist im Sinne der Anwohner und es ist im Sinne der anderen Verkehrsteilnehmer, die nicht hinter einem langsam fahrenden Bus herschleichen müssen.
Aber es geht ja nicht um Vernunft, sondern um den Fahrplan.
25.05.2018
Auf den Prüfstand!
Die Kosten für Tanken und Waschen werden gerne unterschätzt. Dabei können diese im Wettbewerb entscheidend sein
Es gab mal eine Zeit, da verdiente der Berater seine Brötchen noch als Omnibusfahrer. In diesen seligen Zeiten galt der eherne Grundsatz:
„Jeder Bus wird nach Dienstende betankt, gewaschen und innen gereinigt!“
Aus betrieblicher Sicht halte ich diese Regel auch heute noch für völlig richtig, denn nur so ist absolut sicher, dass jeder Bus auf dem Hof stets uneingeschränkt einsatzbereit ist. Bei (profitablen) Bestandsverkehren braucht man über dieses Thema auch heute (noch) nicht zu diskutieren. Schließlich sind die betreffenden Kosten eingepreist.
Eine andere Sicht der Dinge bekommt man jedoch, wenn man sich darum bemühen muss, Linienverkehre im Wettbewerb zu gewinnen. Dann müssen alle Kosten auf den Prüfstand. Gerade bei alteingesessenen Linienbetrieben kommt es hierbei im Verlauf der Kalkulation beim Thema Tanken und Waschen immer wieder zu interessanten Aha-Erlebnissen.
Dazu ein Beispiel:
Ein Busunternehmen betreibt an Schultagen 30 Omnibusse im Linienverkehr, an Ferientagen sind es noch 25 Fahrzeuge, an Samstagen 15 und an Sonn- und Feiertagen zehn. Die Busse werden täglich betankt. Das ergibt 8.585 (achttausendfünfhundertfünfundachzig) Tankvorgänge pro Jahr. Wenn man pro Tankung einen Zeitaufwand von 15 Minuten ansetzt, kommt man auf jährlich 2.146 Arbeitsstunden. Nach dem baden-württembergischen Tarifvertrag kostet die Arbeitsstunde eines Berufskraftfahrers aktuell rund 27 Euro, ohne Zuschläge wohlgemerkt. Allein die Tankerei kostet also pro Jahr 57.942 Euro!
Wie sieht es denn mit dem Waschen aus? Selbst wenn wir von dem genannten ehernen Grundsatz abweichen und nicht täglich, sondern nur zweimal pro Woche waschen, kommen beeindruckende Zahlen heraus: an 37 Schulwochen ergeben sich dann für die 30 eingesetzten Busse 2.220 Wäschen. Hinzu kommen an 13 Ferienwochen für die 25 Busse weitere 650 Wäschen. Insgesamt kommen wir in unserem Beispielunternehmen also jährlich auf 2.870 Waschvorgänge. Eine Buswäsche kostet bei einem gewerblichen Anbieter rund 40 Euro netto. Lassen Sie uns für unser Unternehmen von nur 10 Euro an Selbstkosten (Wasser, Abwasser, Energie, Kapitalkosten etc.) ausgehen. Den Zeitaufwand für eine Wäsche setze ich jetzt mal mit 20 Minuten an; es ergeben sich so 957 Arbeitsstunden jährlich. Der Kostensatz pro Stunde betrage wie beim Tanken 27 Euro.
Die Waschvorgänge selber kosten also pro Jahr 28.700 Euro (2.870 Wäschen x 10 Euro). Hinzu kommen Lohnkosten in Höhe von 2.870 Wäschen x 9 Euro = 25.830 Euro. Insgesamt kostet die Wascherei unser Unternehmen also 54.530 Euro pro Jahr.
Nun zur Innenreinigung. Lassen Sie uns davon ausgehen, dass die Busse grundsätzlich nach jedem Einsatz innen grob gereinigt werden – Zeitaufwand 10 Minuten. Das kann während des Tankens geschehen und kostet somit keine zusätzliche Zeit. Einmal wöchentlich werden die Busse aber etwas intensiver gereinigt. Dafür veranschlage ich mal eine Stunde. Es ergeben sich 1.435 Innenreinigungen pro Jahr mit 1.435 Arbeitsstunden. Das muss kein Berufskraftfahrer machen, es genügt eine Reinigungskraft, die meinethalben 15 Euro pro Stunde kostet. Ohne Putzmittel kommen wir so auf Kosten von 21.525 Euro pro Jahr.
Das beschriebene Szenario kommt also auf jährliche Gesamtkosten von rund 185.000 Euro pro Jahr. Bei jährlich 1.500.000 km wären das 12 Cent pro Kilometer!
Man kann über jede Zahl, die ich in dem Beispiel angesetzt habe, diskutieren. Die Lohnkosten mögen in manchen Gegenden Deutschlands niedriger liegen, die Wäschen mögen günstiger oder auch teurer sein und meine Zeitvorgaben zu eng oder zu großzügig. Aber darum soll es auch nicht gehen.
Vielmehr geht es mir mit diesem Beispiel schlicht darum, Sie zu motivieren, solche alltäglichen Prozesse im Betrieb einmal in Zahlen zu fassen und mit Ihren innerbetrieblichen Kostensätzen zu bewerten. Vielleicht kommen Sie dann zu dem Schluss, dass es durchaus lohnend sein kann, solche Betriebsabläufe mal zu überdenken.
11.09.2016
Fernbusgeschäft für Mittelständler profitabel?
Seltsame Interpretation einer Studie des DSGV
Das Handelsblatt berichtete am 29. August über das Thema "Fernbusse". In dem Artikel wird etwa behauptet, die Busunternehmen seien 2012, also vor der Freigabe des Fernbusverkehrs, „meist defizitär“ gewesen, aber schon nach zwei Jahren Fernbus hätten die meisten „bereits Renditen vorweisen“ können. Man begründet dieses Wunder mit einer „deutlich besseren Auslastung der vorhandenen Flotte“. Das ist doch alles Unsinn! Natürlich waren die Unternehmen 2012 zum Glück NICHT „meist defizitär“. Und wenn in den Folgejahren die Renditen gestiegen sind, lag das eher an den sinkenden Spritpreisen als am Fernbus. Man fragt sich auch, wie die Fernbusverkehre die vorhandenen Fuhrparks besser auslasten sollen – etwa nach dem Motto: „wenn wir sonst keine Aufträge haben, dann fahren wir halt Fernbus“?
Zwischen München und Stuttgart etwa kostet ein Ticket meist rund 9 €, das sind netto 7,56 €. Wenn der Unternehmer 75 Prozent der Einnahmen erhält, bleiben ihm pro Fahrgast 5,67 €. Allein um die Grenzkosten (also die kilometerabhängigen und die Fahrerkosten) einer solchen Fahrt zu decken, müssten also an die 30 Fahrgäste mitfahren! Und von Kostendeckung oder gar Gewinn wäre man dann noch weit entfernt. Sicher gibt es auch andere Linien, auf denen ordentlich verdient wird. Aber die sind eher dünn gesät. Oder warum sonst steigen so viele Fernbusunternehmer schon wieder aus?
Der Artikel bezog sich übrigens auf den Branchenreport 2016 Personenverkehr des Deutschen Sparkassen- und Giroverbands (DSGV). Ich habe mir deshalb den Artikel beschafft und festgestellt, dass sich praktisch nichts, was in dem Artikel zu lesen ist, im Branchenreport wiederfindet. Der Autor des Artikels ist vielmehr aufgrund eigener Recherchen zu den umstrittenen Schlussfolgerungen gekommen.